Zweites Kapitel (59. Gegenstand).

Ehesachen: Heiratsgesetze. Vorschrift über Frauengut. Überheiratungsentschädigung.[242] 1

Das bürgerliche Leben beruht auf der Ehe.A1

Die einfache Vergebung des Mädchens, nachdem man es geschmückt hat, ist die Brahmaheirat. Die gemeinsame Erfüllung der Pflicht heißt Prajāpatiheirat.2 [242] Die Ehe auf den Empfang eines Rinderpaares hin (das die Gewalthaber des Mädchens erhalten) ist die Ṛishiheirat. Die Ehe, die dadurch zustande kommt, daß (das Mädchen) an den Opferpriester innerhalb des Altarplatzes (als Opferlohn) verliehen wird, ist die Heirat der Götter; die auf gegenseitige heimliche Übereinkunft (der Liebenden) hin die der Gandharva; die auf die Leistung eines Kaufpreises hin die der Asura; die auf gewaltsame Bemächtigung hin die der Rākshasa; die auf Bemächtigung im Schlafe oder im Rausche hin die der Piçāca.3

Wenn der Vater die vier erstgenannten genehmigt, sind sie rechtsgültig; wenn Mutter und Vater sie genehmigen, die übrigen. Denn diese zwei sind die Empfänger des Kaufpreises für die Tochter. Oder wenn eins von den zweien nicht mehr da ist, dann das andere von den beiden. Den Kaufpreis, der keinem anderen zusteht (also wohl, wenn sowohl Vater wie Mutter tot ist), bekommt das Weib selber.4 Allen (sowohl Vater wie Mutter, anderen Verwandten und der Frau selber durch eine Dreingabe zum regelrechten Kaufgeld) eine Freude zu bereiten, ist nicht verboten.

Lebensunterhalt und Schmuck (des Weibes) heißt Frauengut.5 Der auszusetzende Lebensunterhalt beträgt höchstens 2000 (paṇa).6 Für Schmuck gibt es keine Einschränkung. Wenn die Gattin dies Frauengut gebraucht, um sich selber, ihre Kinder oder ihre Schwiegertöchter zu erhalten, und in Fällen, wo der verreiste Gatte nicht Vorsorge für sie getroffen hat, so ist das nichts Böses. Ebenso nicht, wenn der Gatte es gebraucht, einer Gefahr zu begegnen, die durch Räuber,7 Krankheit oder Hungersnot droht, oder zu einem von Religion oder Pflicht gebotenen Werke. Oder auch wenn Mann und Frau sich zusammengetan [243] (es als gemeinsam verabredet) und wenn sie ein ein aus Knabe und Mädchen bestehendes Paar gezeugt und wenn sie es (das Frauengut) drei Jahre gemeinsam genossen haben, soll man, wo es sich um rechtmäßige Ehen handelt, sie nicht ins Verhör nehmen. Wird es in einer Gandharva- oder in einer Asuraehe aufgebraucht, dann muß es mit den Zinsen wieder herausgegeben werden. Wird es in einer Rākshasa- oder in einer Piçācaehe aufgebraucht, so soll man dies als Diebstahl behandeln.8A2

Dies die Heiratsgesetze.

Ist der Gatte gestorben, dann soll die Frau, falls sie (als Witwe) ein frommes Leben führen will (dharmakāmā), auf der Stelle das ihr Auszusetzende, ihren Schmuck und den Rest des Kaufpreises empfangen.9 Hat sie dann alles empfangen und heiratet doch, dann soll sie beides mit den Zinsen herausgeben müssen. Will sie aber wieder eine eigene Familie gründen, so soll sie das, was Schwiegervater und Gatte ihr gegeben haben, zu der Zeit, wo sie sich wieder verheiratet, empfangen.10

Die Zeit für die Wiederverheiratung werden wir nämlich bei dem längeren Verreistsein (des Gatten) darlegen.

Wenn sie sich aber gegen ihres Schwiegervaters Wunsch und Wahl verheiratet, so soll sie, was ihr von Schwiegervater und Gemahl gegeben worden ist, verlieren. Einer Frau, die aus der Hand der Blutsverwandten (jñāti) (zum zweiten Mal) entgegengenommen wird, sollen die Blutsverwandten alles, was sie empfangen hat, herausgeben.11A3

Wer eine Frau bei sich aufnimmt,12 die in rechtmäßiger Weise zu ihm gekommen ist, soll ihr Frauengut in seine Hut nehmen. Von dem Erbe, das ihr Gatte hinterlassen hat, soll sie bei der Wiederverheiratung ausgeschlossen sein. Will sie aber ein frommes Leben fuhren, dann soll sie es genießen.

[244] Heiratet eine Frau, die Söhne hat, so verliert sie ihr Frauengut. Dies Frauengut aber sollen die Söhne bekommen. Heiratet aber eine zu dem Zweck, ihre Söhne zu erhalten, dann soll sie es für ihre Söhne anlegen und vermehren.13

Hat sie Söhne von vielen Männern geboren, dann soll sie ihnen ihr Frauengut übertragen, je nachdem die Väter es gegeben haben (d.h. dann erhält jeder Sohn den Teil ihres Frauengutes, der von seinem Vater stammt). Auch Frauengut, über das die Frau frei verfügen darf, soll sie, wenn sie heiratet, ihren Söhnen übermachen.

Eine Frau, die keine Söhne hat und des Gatten Ehebett heilig halten will, darf bei ihren gurus (d.h. Schwiegereltern, Eltern usw.) lebend ihr Frauengut bis ans Ende ihres Lebens nutznießen. Denn für den Fall der Not ist das Frauengut da. Auf ihren Erben14 soll es nach ihrem Tode übergehen.

Lebt der Gatte noch, und stirbt die Frau, dann sollen ihre Söhne und Töchter ihr Frauengut teilen. Hat sie keine Söhne, ihre Töchter. Sind auch keine solchen da, ihr Gatte. Ihren Kaufpreis, was ihres Mannes Familie ihr nach der Heirat gegeben hat, und was ihre Verwandten ihr geschenkt haben,A4 sollen ihre Verwandten (bāndhava) bekommen.

So die Vorschrift über Frauengut.

Bei einer Frau, die nicht gebiert, keine Söhne bekommt oder unfruchtbar ist, soll der Gatte acht Jahre warten; bei einer, die nur tote Kinder gebiert, zehn; zwölf bei einer, die nur Mädchen zur Welt bringt. Darauf mag er, wenn ihn nach Söhnen verlangt, eine zweite heiraten.A5 Übertritt er diese Regel, dann soll er ihr Kaufpreis, Frauengut und ein Schmerzensgeld für die Überheiratung (artham ādhivedanikam) geben. Und 24 paṇa zum höchsten als Geldstrafe (die an den König zu zahlen ist).

Hat er ihr den Kaufpreis und das Frauengut verabfolgt, oder, falls sie keinen Brautpreis und kein Frauengut empfangen hat, soviel wie diese beiden betragen, ein Schmerzensgeld für die Überheiratung und genügenden Lebensunterhalt ihr übermacht, so mag er sogar viele heiraten.15 Denn um der Söhne willen sind die Frauen da.

[245] Bei einem Zusammentreffen des Monatsflusses dieser (vielen Frauen) soll er, je nach der Zeit der Heirat, zu der zuerst geheirateten oder zu der mit lebenden Söhnen gesegneten zuerst gehen. Auf Verbergung oder Nichtbeiwohnung beim Monatsfluß steht eine Strafe von 96 paṇa. Eine mit Söhnen Gesegnete, eine, die nach frommer Keuschheit begehrt, eine Unfruchtbare, eine, die nur tote Kinder gebiert, und eine, die nicht menstruiert,16 soll er nicht besuchen, wenn sie es nicht wünscht. Und wenn der Mann nicht selber will, braucht er nicht zu einer Aussätzigen oder einer Irrsinnigen zu gehen. Die Frau aber muß, damit sie Söhne bekomme, sogar17 zu solch einem Manne gehen.A6

Ein Gatte, der ein niedriger Mensch geworden oder in ein anderes Land gereist ist oder sich gegen den König versündigt hat oder das Leben (der Gattin) gefährdet oder aus der Kaste gestürzt oder geschlechtsuntüchtig ist, soll verlassen werden.18

Fußnoten

1 Wörtlich: »In dem (Kapitel von dem) was mit der Ehe zusammenhängt: a) Rechtmäßigkeit der Ehe (so ließe sich auch übersetzen), b) Frauengut, c) Überheiratungsentschädigung« (d.h. Entschädigung, wenn der Mann eine andere Frau zu ihr hinzuheiratet).A7


2 Alle Eheformen haben zum Zweck die gemeinsame Erfüllung der Lebenspflichten. Bei dieser aber sprechen die Gewalthaber des Mädchens einfach: »Übt miteinander die Pflichten«. Daher die Begriffsbestimmung.A8


3 Bei dieser Heiratsart wird sonst nicht nur die Schlafende, sondern vor allem auch die Trunkene (oder trunken Gemachte) als Beute genannt. Auch B fügt dieses matta ein. Unmöglich wäre freilich nicht, daß es aus der Smṛiti nachträglich Eingang gefunden hätte.A9


4 Nach der Lesart von B: »den zweiten Kaufpreis soll das Weib bekommen«. Das soll wohl heißen: Bei einer zweiten Heirat bekommt immer die Frau selber den Brautpreis. Nach der gewöhnlichen Vorschrift, die natürlich die Entwicklung einer späteren Zeit darstellt, empfängt überhaupt die Frau den für sie erlegten Preis, wenigstens nachträglich, als Teil ihres strīdhana oder Weibergutes. An und für sich ließe sich der Text auch übersetzen: »Ganz allein (mit keinem Zweiten geteilt) soll das Weib den Kaufpreis erhalten«. Doch scheint auch der folgende Satz dieser Auffassung nicht günstig zu sein, eher noch dem dvitīyam von B.A10


5 Ābadhya »das Anzubindende, Angelegte« schließt nicht die Kleider mit ein, wie man denken sollte. Siehe bes. S. 230, 11–12. Wegen des Frauengutes vgl. Weib im altind. Epos S. 50, Anm. 1.


6 Dreitausend nennt das Epos. Weib S. 50.


7 Pratirodhaka bezeichnet bei Kauṭ. Wegelagerer, RäuberA11. So 34, 10; 210, 17; 232, 8 ff.; 234, 4. Hier könnte es freilich gleich -pratirodha und saṃpratirodhaka (Yāj. II, 143) sein, weniger wahrscheinlich: ein Zurückhalter, einer, der ihn nicht gehen lassen will, wie z.B. ein Gläubiger. »Gefangenschaft« wäre dem Sinn nach hier vorzuziehen. Doch kommt z.B. auch das von Räubern geforderte Lösegeld oft in der altind. Literatur vor.


8 Wörtlich wohl: »Das in der ... Aufgebrauchte soll Diebstahlsstrafe leisten«. Oder auch -opabhuktaṃ adverbiell: »Wird es ... aufgebraucht, dann soll man die Diebstahlsstrafe leisten«. Da gehört also das Frauengut rechtlich den eigentlichen Gewalthabern des Weibes.


9 Lies eva sthāpyābharaṇam und vgl. 155, 7; 158, 4 f. Das sthāpya oder »Auszusetzende« ist der einer Frau ausgesetzte Lebensunterhalt (vṛitti). Der »Rest des Kaufpreises« bezieht sich auf Fälle, wo der Kaufpreis vom Gatten erst zum Teil entrichtet worden ist. Siehe S. 158, 2; 159, 7. Daß der oft nicht sofort ganz herausgerückt wurde, begreift sich sehr leicht. Es ist wohl gemeint, daß die Blutsverwandten des Mannes, die den Kaufpreis noch nicht vollständig ausgefolgt haben, ihr nun das Rückständige überliefern und sie wieder verheiraten sollen. Denn im regelrechten Lauf der Dinge trat das Weib mit der Ehe ganz aus ihrer eigenen Familie heraus und in die des Gatten über. Daher muß sie auch ihrem Schwiegervater gehorchen, wenn sie wieder heiraten will. Nur wenn die Familie des toten Gatten ausgestorben, zu arm ist u. dgl. mehr, geht die Witwe wieder an ihre eigenen Verwandten über. Nār. XIII, 28.A12


10 Die Frau, die nicht zuerst die Heilige spielen wollte, sondern erklärte: »Ich will wieder einen Mann«, hat ja nicht wie jene andere, ein Odium auf sich geladen.


11 Abhimṛishṭa »berührt« hier wohl nicht geschlechtlich, sondern bei der Heirat oder Entgegennahme. Oder handelt es sich hier um eine, die nach dem Tod ihres Gatten wieder unter die Hut ihrer eigenen Blutsverwandten getreten ist? Dann: »was sie für sie empfangen haben«. Soll man abhisṛishtāyāḥ lesen: »überlassen, verliehen«?


12 Oder: entgegennimmt (als Gattin). Es ist wohl pratipattā zu lesen: »einer, der sie bekommt, zu sich nimmt«. Das Wort findet sich auch 192, 15, bedeutet dort aber wohl Beginner, Anstifter. Weniger wahrscheinlich: pratipāta »Beschützer«.A13 NB. Sowohl Gaṇ. wie Jolly haben prattipattāA14.


13 Sphātīkuryāt. Wie das folgende putrāṇam avasthāpayet und putrasaṃsthaṃ kārayet »settle on her sons« zeigt und wie in der Natur der Sache liegt, soll sie es ihnen überschreiben (Sham. »endow it in their name«). Leider kenne ich sonst nur sphāti = vṛiddhi.


14 Dāyāda. Dies Wort bedeutet auch Blutsverwandter. Ein solcher ist jedenfalls, so oder so, gemeint.


15 Der Text, sowie Jolly und Gaṇ. lesen in Zeile 12 ardham, das ich mit Sham. in seiner Übersetzung zu artham geändert habe; denn diese Verwechslung findet sich häufig im Texte des Arthaçāstra. Aber bei Yājñ. heißt es ja: Adhivinnastriyai dadyād ādhivedanikaṃ samam, Na dattaṃ strīdhanaṃ yasyai. Datte tv ardhaṃ prakīrtitam »der überheirateten Frau gebe er, wenn ihr kein Frauengut gegeben worden ist, das Gleiche als Überheiratungsgebühr. Ist es ihr aber gegeben worden, dann ist die Hälfte davon angesetzt«. Mit ardham ließe sich also übersetzen: »Übertritt er diese Regel, dann soll er ihr den Kaufpreis und die Hälfte des Frauenguts als Entschädigung für die Überheiratung geben«. Der zweitnächste Satz, d.h. der uns gerade vorliegende, könnte dann auch so aufgefaßt werden: »Hat er ihr Kaufpreis und Frauengut verabfolgt, oder, falls er ihr keinen Kaufpreis und kein Frauengut gegeben hat, so viel, wie diese beiden betragen, als Überheiratungsbuße und einen angemessenen Lebensunterhalt ihr überwiesen, dann mag er« usw. Obgleich nun bei dieser Auslegung Kauṭ. dem Yājñ. näherstünde, wäre seine Lehre doch nicht ganz die gleiche und stimmten obendrein die zwei Vorschriften Kauṭilyas selber nicht miteinander überein. So scheint mir trotz der kleinen Schwierigkeit mit artha ādhivedanika, das nicht ganz natürlich aussieht, die im Text gegebene Übertragung den Vorzug zu verdienen. Statt açulkastrīdhanās wird man açulkastrīdhanāyās setzen müssen. Weniger gut wäre açulkastrīdhanas.


16 Nīrajaskā. Vielleicht eher: »eine, die nicht mehr menstruiert«. Auf jeden Fall hat der Gatte nur in den unmittelbar auf die Menstruation folgenden, für die Empfängnis besonders günstigen Nächten die Pflicht, der Gattin beizuwohnen.


17 hat bei Kauṭ. öfters den Sinn von eva. So z.B. noch 159, 15, 17, 18; 249, 4; 253, 11; 267, 11; 275, 20; 322, 12.


18 Siehe Nār. XII, 96, 97 und Weib im altind. Epos S. 304 f.


A1 Vgl. z.B. MBh. XIII, 44, 1, wo die Ehe genannt wird mūlaṃ svadharmāṇām svajanasya gṛihasya ca.


A2 Kauṭ. ist hier sehr brahmanisch angehaucht. Stellt doch M. IX, 196f., was des Gatten Anrecht auf das Frauengut betrifft, die Gandharvaehe den vier frommen gleich. Kauṭ.'s Lehre ist hier um so merkwürdiger, als er entgegen der Smṛiti das Weibergut der kinderlos gestorbenen Gattin ohne irgendwelche Einschränkung dem Gatten zuspricht (Übers. 245, 15–16). Statt »rechtmäßige Ehen« muß es nämlich in der Übersetzung heißen »fromme Eheformen«. Es sind die vier ersten Heiratsarten gemeint oder die »brahmanischen«.


A3 Der Hinweis auf den Schwiegervater zeigt wohl, daß die Frau nur einen Bruder oder, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, bloß einen Verwandten ihres verstorbenen Gatten ehelichen darf. N. XII, 4 billigt nur den Schwager, hier wohl als Zeugungsvikar. Gaṇ.'s devara trifft also ungefähr das Richtige. Dagegen hat er wohl Unrecht, wenn er meint, im folgenden Satz (mit jñātihastāt) sei die Rede von einer neuen Heirat des Weibes bei Lebzeiten ihres Mannes, und es müßten diese frisch angeheirateten Verwandten dem früheren Gatten und seinem Vater alles, was die beiden der Frau gegeben haben, herausgeben.


A4 Es muß heißen: »was ihre eigene Familie ihr nach der Heirat gegeben, oder anderes, was ihre Verwandtschaft ihr geschenkt hat.« Schon anyad weist darauf hin, daß anvādheya nicht wie in der Smṛiti zu verstehen ist. Sagt doch Kāty.: »Was eine Frau nach der Heirat von ihres Gatten Familie erhält oder auch von ihres Vaters, ist anvādheya.« Als Frauengut gilt dem Kauṭ. eigentlich ja nur das einem Weibe vom Gatten Ausgesetzte und ihr Schmuck (Übers., 243, 17). Vom sechsfachen Weibergut scheint er also nichts zu wissen. Er mutet hier beinahe so altertümlich an wie B. II, 2, 44 und Ā. II, 6, 14, 9. Sogar Kāty. kennt, wenigstens soweit das Zitat des Vivādat. in Jollys Ausgabe des N. (XIII, 8) urteilen läßt, als eigentliches Frauengut nur: 1. das bei der Hochzeit Geschenkte (adhyagnikṛita), 2. adhyāvahanika, 3. das von den Schwiegereltern aus Liebe und wegen ehrfürchtigen Verhaltens der Schwiegertochter Gespendete (prītyā datta), 4. was der Verheirateten vor oder nach der Heimführung von Bruder, Vater oder Mutter gegeben worden ist (saudāyika). Sechs Arten hat das Frauengut nach M. IX, 194f.; Vish. XVII, 18; Y. II, 143f. Kaum richtig liegt uns N. XIII, 8 vor. Auch hier haben wir wohl nur die vier: adhyagni, adhyāvahanika, bhartṛidāya, bhrātṛimātṛipitṛiprāpta. Statt shaḍvidhaṃ mag ursprünglich etwa tadvidhaṃ dagestanden haben. Schon an und für sich befremdet es, daß aus Spenden, die von ihres Vaters engster Familie kommen, drei Kategorien gemacht würden. Sodann ist N.'s bhrātṛimātṛipitṛiprāpta offenbar nicht verschieden von M.'s bhrātṛimātṛipitṛiprāpta und Kāty.'s bhrātuḥ sakāçāt pitror vā labdha. M.'s vier erste Arten sind also genau denen des Kāty. gleich. Aber dann folgt anvādheyam als fünfte und dattaṃ patyā prītena als Nr. 6. Diese ist wesentlich gleich der Nr. 3 des N. Manus dattaṃ prītikarmaṇi hinwiederum entspricht dem prītyā dattam des Kāty. und diesen beiden das bandhudatta des Vish. und Y. Schon diese Entsprechungen machen stutzig, und ein Blick auf das höchst ungeschickt zusammengeleimte Strophenpaar lehrt dann deutlich, daß auch M. eigentlich nur vier Arten von Frauengut hat und daß auch bei ihm shaḍvidham nicht ursprünglich sein kann. Die erste Hälfte von 195 ist also ein späteres Einflicksel. Nārāyaṇas in Bühlers Manuübersetzung zu 195 mitgeteilte Bemerkung verrät, daß noch dieser Kommentator ein Bewußtsein hatte von der Ungehörigkeit, Nr. 5 und 6 des M. wirklich Frauengut zu nennen. Auch auf Y. II, 143–144 scheint der Schatten eines ähnlichen schlechten Gewissens gefallen zu sein, während Vishṇu XVII, 18 seelenruhig alle sechs auf gleiche Stufe stellt. Aber Y. II, 144 ist nur eine Versifizierung unserer Kauṭ.-Stelle (153, 8). Er macht ja auch nicht alle seine Arten von Frauengut in Bausch und Bogen ab, sondern spricht ausdrücklich die drei: bandhudatta, anvādheya und çulka den Verwandten des toten Weibes zu. Zweifelhaft aber bleibt, ob er sich klar war über die Bedeutung dieser mit Haut und Haar aus Kauṭ. herübergenommenen Ausdrücke und den Grund der Verschiedenheit im Erbzuspruch. Weiter weise ich darauf hin, daß auch Y.'s und Vish.'s. vier erste Klassen genau mit den vier einzigen des Kāty. und den vier ursprünglichen des M. übereinstimmen, und daß sie ebenfalls M.'s zwei letzte bloß hintendreinhinken lassen. Nur nennt Vish. vor dem Bruder seltsamer Weise noch den Sohn und Y. den Gatten. Sonst ist bei den zweien alles gleich. Schon deshalb, weil pati bei Y. offenbar das dattaṃ prītikarmaṇi des M. wiedergibt, wird Vish.'s suta aus pati verlesen und nicht etwa eine gemeinsame Quelle der beiden anzunehmen sein. Auch hier schreibt Vish. den Y. ab. So haben denn auch beide ādhivedanika statt des adhyāvahanika, oder adhyāvāhanika der anderen und çulka statt M.'s dattam patyā prītena. Ādhiveda nika soll da offenbar Äquivalent von adhyāvahanika sein. Wer hat nun Recht, Kāty. mit seiner Erklärung, adhyāv. sei das, was die Frau auf ihrem Hochzeitszuge zum Heim ihres Gatten erhalten habe, oder Vish. und Y.? Das Wort selber scheint den zwei letztgenannten Recht zu geben; denn āvahati ist t. t. für das Herbeiführen eines Weibes als Gattin oder eines Mannes als Schwiegersohn. Siehe Weib S. 43, Anm. 3. Es ist also etwa gleichbedeutend mit vindati. Adhi heißt sowieso meistens: dazu, obendrein. Kāty. meint, es habe dieselbe Bedeutung wie in adhyagnikṛita usw. Hat er Recht, dann mag N.'s bhartṛidāya nicht nur das prītidāna des Gatten, sondern auch dessen ādhivedanika einschließen. Aber bhartṛidāya könnte ja auch dem »Ausgesetzten« des Kauṭ. entsprechen. Wahrscheinlich aber haben ādhivedaṇika u. adhyāvahanika nichts miteinander zu tun und holt Y. sein ādhivedanika, das sonst nicht als Unterart des Frauenguts erscheint, einfach aus Kauṭ., wie so vieles andere, und gibt es dann weiter an Vish. Wegen dāya vgl. M. IX, 77–79. Auf jeden Fall zeigt sich auch hier, wie sonst häufig, daß die nicht seltene Wirrsal in den Smṛitischriften durchaus nicht immer in der Verschiedenheit der Bräuche oder Sitten, sondern oft in der Denkunklarheit der Verfasser oder in ihrer Unwissenheit oder in der Dunkelheit und der Zweideutigkeit bestimmter Ausdrücke ihren Grund hat. Bei Kauṭ. stehen wir gewiß auch hier der Wirklichkeit näher als in der Smṛiti: Nur was der Gatte oder dessen Angehörige der Verstorbenen gegeben haben, fällt an ihn, alles, was von den Ihrigen stammt, also auch der Kaufpreis, der offenbar ebenfalls bei Kauṭ. von den Gewalthabern der Braut ihr überlassen wird, kommt an die Verwandten des Weibes.


A5 Am genausten zu Kauṭ. stimmt M. IX, 81 (= Hārīta p. 8, çl. 8): »Im achten Jahr eine Unfruchtbare; im zehnten eine, die nur tote Kinder gebiert; bringt sie nur Mädchen zur Welt, im elften; auf der Stelle aber die Zänkerin.« Obwohl auch B. das Weib mit dem bösen Maul sofort vom Thron stoßen läßt, macht er es doch sonst gnädiger gegen die Frau als M.: »Die Unfruchtbare im zehnten, die Mädchengebärerin im zwölften, die, deren Kinder nicht lebend zur Welt kommen, im fünfzehnten« (II, 2, 59 = II, 2, 4, 6). Vgl. Y. I, 73. Nach Ā. II, 5, 11, 12ff. darf die Überheiratung nicht stattfinden, wenn die Frau ihre religiösen Pflichten erfüllt und Söhne gebiert. Ist das aber nicht der Fall, dann soll der Mann eine andere nehmen, doch nicht während er in einem großen Opfer begriffen ist.


A6 M. IX, 79 sagt dagegen: »Wenn sich eine Frau einem irrsinnigen, entkasteten, impotenten, samenlosen oder mit schlimmer Krankheit behafteten Mann in Widerwillen verweigert, dann darf sie nicht hinausgestoßen, noch ihres Gutes beraubt werden«. vgl. 77f.


A7 Zweierlei ist in bezug auf die nun folgenden Kapitel vom bürgerlichen Gerichts- und Rechtswesen zu beachten. Die ausdrückliche Einteilung in 18 Rechtsmaterien, wie wir sie bei M., N. und sonst finden, fehlt im Arthaçāstra, und die Anordnung des ganzen Stoffes ist weit vorzüglicher als in der Smṛiti. Kauṭ. beginnt mit der »Grundlage des bürgerlichen Lebens«, mit der Ehe oder dem Einzelhaushalt, mit der Familie. Sein erstes Kapitel handelt also von Mann und Weib, d.h. von Gatte und Gattin. M.'s und Bṛ.'s unnatürliche Auseinanderreißung dieses Gegenstandes in zwei: strīsaṃgrahaṇa oder Ehebruch und strīpuṃdharma, Pflicht von Mann und Weib kennt er er so wenig wie N. An Vater und Mutter schließen sich die Kinder oder die Söhne mit der Erbteilung an, und als dritter Gegenstand folgt Haus und Hof der Familie, d.h. das Kapitel von den Liegenschaften. Nur ein Teil davon ist da natürlicherweise Grenze und Grenzstreit. Ebenso natürlicherweise kommen wir jetzt zu Schaden an Feld, Weide und Weg und dann zu den aus Familie und Bodenbesitz erwachsenden größeren Gruppen, deren allgemeinsamer Zusammenhalt vom Inder samaya (saṃvid usw.) genannt wird, das auf Übereinkunft, gegenseitigem Dienst und gemeinsamem Wirken beruhende Gemeinsamkeitsleben von Dorf- und anderen Gemeinschaften, dessen Behandlung bei Kauṭ. bemerkenswerte Abweichungen von dem betreffenden Kapitel der Smṛiti aufweist. Er gibt nämlich in diesem mit dem Feldschaden verschmolzenen Abschnitt eine ganze Anzahl auf das dörfliche Leben bezüglicher Vorschriften, die in den Rechtsschriften entweder gar nicht oder doch an anderer Stelle berührt werden. Bis hierher steht alles im schönsten Einklang mit den wirklichen Verhältnissen und mit sonstigen Anschauungen der Inder. Nun aber wirft ihn plötzlich der Einzelbesitz, jener unheilvolle Dämon, den die Menschen zu der einen großen, alles beherrschenden Gottheit erhoben haben und der alle Smṛitiverfasser bewog, das Eigentum in irgendeiner Form als ersten und wichtigsten Rechtsgegenstand zu betrachten, aus seiner wahrhaft weisen Bahn und zwingt ihn, die Lehre von Schulden und Wucher und dann natürlich auch die von Bewahrgut und Pfand hier aufmarschieren zu lassen. Wucher, Pfand usw. aber hätten vor dem sāhasa, dem »Raub« oder »der Besitzergreifung von Sachen, auf die man ein Recht zu haben glaubt«, eingefügt werden sollen, oder doch mindestens das Kapitel von Sklaven und Arbeitern nebst gemeinsamen Unternehmungen unmittelbar nach dem samayānapākarman, d.h. nach der Nichterfüllung gesellschaftlicher Pflichten. Abgesehen von diesem Lapsus geht alles bis zum Ende in vernünftiger Folge fort, wenn auch ein paar Einzelheiten eher an anderer Stelle hätten eingereiht werden sollen. Kauṭ. macht auch nicht aus den Streitigkeiten zwischen Hirt und Herrn, die ja nur einen Teil der Beziehungen zwischen Arbeiter und Arbeitgeber bilden, einen besonderen Rechtsgegenstand wie M., noch spaltet er in der törichten Weise des N. die Nichteinhaltung einer Kaufabmachung in vikrīyāsaṃpradāna und krītvānuçaya, und die »Nichtausfolgung des Lohnes« macht er sehr angemessen »unter Herr und Arbeiter« ab. Kurz: auch hier ist ein Geist am Werke, der einen weit wissenschaftlicheren Blick bekundet als die Smṛiti-verfasser. Ein Schluß aus der »höheren Entwicklung« auf eine spätere Zeit wäre völlig übereilt. Es ist einfach ein ganz anderer Mann. Andererseits aber wäre es eben so verkehrt zu sagen: Weil Kauṭ. nicht 18 Rechtsmaterien nennt, ist er älter als M. Achtzehn lassen sich nämlich ohne Zwang herausschälen und zwar in dieser Reihenfolge: 1. Ehe, 2. Erbteilung, 3. Liegenschaften, 4. Schaden an Feld, Weide und Weg mit einer Reihe von Vorschriften für das Dorfleben, 5. Nichterfüllung gesellschaftlicher oder Gemeindepflichten, 6. Schuldrecht, 7. Deposita und Pfänder, 8. Sklaven, 9. Gedungene Arbeiter und Angestellte mit Nichtgeben des Lohnes, 10. Gemeinsame Erwerbsunternehmungen, 11. Nichteinhalten einer Kaufabmachung, 12. Nichtausfolgen von Versprochenem, 13. Verkauf ohne Eigentumsrecht und Eigentumsrecht, 14. Gewalttat oder Raub, 15. Wortbeleidigung, 16. Tatbeleidigung, 17. Spiel und Wetten, 18. Vermischtes. Daß M. aber wirklich in der Zeit auf den Verfasser des Arthaçāstra folgte, nicht etwa ihm voranging, kann jeder sehen, wenn er auch nur das »Königsrecht«, d.h. den staatswissenschaftlichen Teil, mit Kauṭ. genauer vergleicht.


A8 Wie kostbar ein Mädchen ist, das man zur Ehe hingibt, zeigt z.B. Vas. XXIX, 18: »Tausend Zugstiere (anaḍuh) einem sehr Würdigen in der vorgeschriebenen Form hinschenken ist dem Hinschenken eines Mädchens gleich.« Dabei ist ein guter Zugochse etwa doppelt, ja sogar zehnmal so viel wert wie eine Kuh! Quot. from N. VII, 13; Vish. XCII, 10; MBh. K XIV, 103, 6–8.


A9 Es fehlt auch bei Gaṇ. B. I, 11, 9 (= I, 11, 20, 9) sagt: die Schlafende, Trunkene oder nicht ordentlich bei Besinnung Seiende (pramattā), ebenso M. III, 34. N. XII, 34, Vish. XXIV, 26 und Nītiv. 129, 9 haben: die Schlafende oder nicht recht bei Besinnung Seiende; G. IV, 13: eine, die nichts von sich selber weiß (asaṃvijñātā), Y. I, 61: durch Betrügen des Mägdleins.


A10 Auch Gaṇ. hat das wohl richtige dvitīyaṃ und sagt, es bedeute ein über den Kaufpreis, der mit den Gewalthabern des Mädchens verabredet worden ist, hinausgehendes Geschenk. So natürlich ein solches sein mag, läßt es sich doch nirgends unter dem sechsfachen Frauengut der späteren Smṛitistellen, von denen noch N. XIII, 8 zu nennen wäre, unterbringen. Dennoch mag Gaṇ. vollkommen Recht haben. Das Folgende heißt nach ihm: »Daß alle Verwandten des Bräutigams ihr durch Geschenke Freude machen, ist unverboten«. Wegen des altind. Weiberguts siehe Weib im altind. Epos besonders 50–51, Anm.; Jolly zu Vish. XVII, 18; Sarkar, Pol. Inst. 28ff. Sarkars Lobrede, wie gut die Frau da in Altindien gestellt gewesen sei im Vergleich mit anderen Ländern, hat Berechtigung.


A11 Hinter »Räuber« füge hinzu: Einbrecher (Diebe) wie bei andern.


A12 Lies N. XIII, 28f. Der Witwe fortdauernde Gebundenheit an Schwiegervater und Schwager tritt also auch bei Kauṭ stark hervor. Bei der Vikariatzeugung aber scheint eine Ausnahme vorzuliegen. Die Frau muß da von ihren guru beauftragt sein (niyuktā N. XII, 80, 86), oder angetrieben (prasūtā, G. XVIII, 5) oder ermächtigt (anujñātā, B. II, 2, 62 = II, 2, 4, 9; Y. I, 68). Wer sind nun die guru? Man erklärt: die Priester und die geistlichen Lehrer des Gatten. Dafür könnte ich nur Vas. XVII, 56 anführen: »Ihr Vater oder ihr Bruder soll die Wissenschafts- und die Opferväter (d.h. die Lehrer und die Opferpriester des Gatten) und die yonisambandha versammeln und dann die Frau beauftragen.« Aber hier beauftragen ja nicht die genannten guru, sondern Vater oder Bruder, also Verwandte. N. XII, 84 sagt denn auch unmittelbar: niyuktā bandhubhiḥ. Bandhu sind nun besonders die Kognaten oder Spillmagen, durch weibliche Angehörige hindurchgehende Bluts- oder angeheiratete Verwandte. Ähnlich verhält es sich mit yonisambandha »Verwandter durch eine Frau«. Vgl. yoni = Frau (die man heiratet) Vas. I, 33. Es bezeichnet einen mittels der Frau angeheirateten Verwandten nach des Komm.s wohl richtiger Erklärung bei G. XIV, 20, dagegen einen Verwandten durch die Mutter z.B. in Ā. II, 5, 11, 16, ist dann also etwa = dem mātṛibandhu, den Kauṭ. 35, 3 und 163, 18 sogar als Zeugungsstellvertreter gelten läßt. Bei Vas. XVII, 56 denkt man an G. XX, 2ff., wo bei der Ausstoßung aus der Kaste ebenfalls die vidyāguru und die yonisambandha, zugezogen werden, nach 6 wohl hauptsächlich als Zeugen. Also werden auch die bandhu in N. XII, 84 entweder Spillmagen oder angeheiratete Verwandte, nämlich des verstorbenen Gatten, sein. Im zweiten Fall hätten wir da Blutsverwandte der Witwe. Dazu würde denn aufs beste stimmen, daß der Vater oder der Bruder bei Vas. die Frau beauftragt. Nun fragt sich aber: Ist pitā bhrātā vā bei Vas. XVII, 56 wirklich, wie man bisher angenommen hat, der Vater oder der Bruder der Witwe? Wohl kaum; denn sind die guru und angeheirateten Verwandten (oder die Spillmagen) die des verblichenen Mannes, dann am natürlichsten auch der Vater und der Bruder. Auch sachlich ergäbe sich da kein Anstoß. Aber non liquet.


A13 Kauṭ.'s Bestimmungen sind ganz im Geiste der Smṛiti gehalten. Nach ihr ist das Frauengut unantastbar für den Gatten und dessen Verwandte. Wenn die Frau stirbt, bekommen ihre Töchter ihre Habe. B. II, 2, 44 = II, 2, 3, 43; Vas. XVII, 46; M. IX, 131; Vish. XVII, 20f.; Y. II, 145; Agnipur. transl. M. N. Dutt p. 925. Nach wohl jüngerem Recht die Kinder überhaupt. N. XIII, 9; M. IX, 145ff.; Bṛ. XXV, 87. Aber nach dem letztgenannten sollen verheiratete Töchter nur ehrenhalber eine Kleinigkeit bekommen. Vgl. M. IX, 131. Verwandt ist die Regel des jedenfalls recht jungen G.: »Die unverheirateten Töchter und solche, die sich schlecht stehen« (apratishṭhitānām, XXVIII, 24). Sogar wenn sie keine Kinder hat, erhält ihr Vater, bezw. Mutter und Vater, das Eigentum der Frau, nicht der Gatte, es sei denn, er habe sie nach einer der vier ersten oder frommen Heiratsarten geehelicht. Nur M. IX, 196 nimmt noch die Gandharvaheirat dazu. Siehe N. XIII, 9; M. IX, 196; Vish. XVII, 19f.; Y. II, 145. Das heißt also: in der überwältigenden Mehrheit der Fälle erbt der Vater das Frauengut. Auch bei Lebzeiten der Gatten darf weder Mann noch Verwandter es antasten. Bei gewaltsamem Gebrauch müssen sie es mit Zinsen zurückerstatten und Strafe zahlen. Doch mag die Frau dem Gatten freiwillig ihr Gut zum Betrieb seiner Geschäfte überlassen. Jolly, Recht und Sitte S. 88 unten. Ja, sogar der alte A. sagt: »Zwischen Gatte und Gattin ist keine Teilung, weder was irdisches Gut, noch was die jenseitige Belohnung für gute Werke anlangt« (so sehr sind Gatte und Gattin eins). Er fährt aber dann fort: »In der Abwesenheit des Gatten darf die Gattin die nötigen Ausgaben machen«, was darauf zu deuten scheint, daß halt die Gattin kein Eigentum dem Manne vorenthalten dürfe (II, 6, 14, 16ff.). Doch heißt es in II, 11, 29, 3 auch: »Mann und Frau haben Gewalt über ihr gemeinsames Eigentum, ebenso die von jedem der beiden Beauftragten.« Sonderbar sticht dagegen ab, daß derselbe Ā. die Gattin vollständig von der Hinterlassenschaft des Gatten ausschließt, auch wenn er keinen Sohn hat (II, 6, 14, 2ff., im Einklang mit B. II, 5, 95–100; Vas. XVII, 81–83; M. IX, 187). Ist der Gatte gestorben, dann darf sie alles ihr vom Manne Gegebene oder Versprochene gebrauchen, wie es ihr beliebt, ausgenommen Liegenschaften (N. I, 28). Diese sollten halt der Familie des Gatten verbleiben. Dagegen gebührt dem Manne z.B. nach altdeutschem Recht immer Verwaltung und Nießbrauch des Vermögens der Frau. J. Grimm, Deutsche Rechtsaltert.4, Bd. I, 619f. Den Indern nahe steht der überhaupt sehr frauenfreundliche Araberstamm der Beni Amer, bei dem Sondereigentum der Frau ist, was sie mitbringt oder in der Ehe erwirbt (Große, Die Formen der Familie, S. 112, vgl. 123).


A14 Der pratipattar wird wohl in erster Linie ein Bruder des verstorbenen Gatten sein. Gaṇ. sagt, dieser Schwager, der sie heirate, solle ihr Frauengut bewahren, aber nicht verzehren.

Quelle:
Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben. Das Arthaçāstra des Kauṭilya. Leipzig 1926, S. 242-246.
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